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Verständlich schreiben

Verständlich schreiben

Vor einiger Zeit redigierte ich die wissenschaftliche Arbeit eines Doktoranden. Ich kämpfte mich durch 120 Seiten reines Fachchinesisch, formulierte um, strukturierte, machte Anmerkungen und korrigierte. In meinem Fazit für den Doktoranden schrieb ich Folgendes: „Wissenschaftlich zu schreiben, heißt nicht, unverständlich zu schreiben. Wissenschaftliches Schreiben bedeutet, Fachwissen so zu kommunizieren, dass auch ein Laie Ihre Arbeit versteht.“.

Viele Experten sprechen und schreiben „Fachchinesisch“. Mindestens genauso viele Beamte sind in ihrem Amtsdeutsch verhaftet und wundern sich, dass der Hilfesuchende nicht versteht, worum es geht. Auch Juristen neigen zur „Rechtssprache“, was nicht selten zu irritierten Rückfragen der Mandanten führt. Kann man diesen Menschen einen Vorwurf machen? Nein, natürlich nicht. Diese Fach- oder Amtssprache wird ihnen anerzogen – während ihres Studiums oder ihrer Ausbildung. Und hier liegt das Problem. Experten befinden sich unter Experten. Sie sprechen wie Experten und erwarten, dass das jeder versteht. Solange sie unter ihresgleichen sind, ist das unproblematisch. Schwierig wird es, wenn ihre Fachartikel/Erkenntnisse der breiten Öffentlichkeit kommuniziert, diese im Marketing als Verkaufs- oder Expertisen-Text eingesetzt werden sollen oder als Lehrmaterial für Studenten dienen.

Dasselbe gilt fürs Amtsdeutsch. Nicht selten werden Arbeitssuchenden die Unterstützungen gestrichen, weil sie amtliche Schreiben nicht verstanden haben. Ähnlich geht es Mandanten, die Aufforderungen von Anwälten nicht nachkommen, weil ihnen das Schreiben unverständlich war. Mit einer einfachen und verständlichen Sprache würde das nicht passieren.

Einfache Sprache für Experten

Die Medien sind voll mit Berichten über die Wichtigkeit barrierefreier Webseiten. Dabei ist eine einfache Sprache genauso wichtig für die Bewältigung des Alltags, dem Lernen und das allgemeine Verständnis. Einfache Sprache spielt bereits in der Schule eine Rolle. Lehrbücher und Prüfungsaufgaben müssen verständlich sein. Es geht weiter mit der Ausbildung und dem Studium und endet bei alltäglichen Dingen wie Behördengänge, Rechtsstreitigkeiten und Beantragung von finanziellen Hilfen. Immerhin 6,2 Millionen Menschen in Deutschland können laut der Deutschen Welle nicht richtig lesen. Für sie ist eine einfache Sprache unabdingbar. Doch was macht eine einfache Sprache aus? Einfache Sprache…

  • verzichtet auf Fremdwörter oder erklärt diese verständlich,
  • setzt nur ein Komma in einem Satz, d. h. Hauptsatz + Nebensatz,
  • besteht aus Sätzen mit höchstens 15 Wörtern,
  • meidet Abkürzungen,
  • nutzt keine Fachtermini,
  • ist aktiv und nicht passiv,
  • nutzt keine Ironie, Metaphern oder Redewendungen,
  • ersetzt abstrakte Begriffe durch einfache,
  • verwendet bekannte Wörter wie „Geld“ statt „Zahlungsmittel“,
  • nutzt möglichst wenig Substantivierungen,
  • trennt Wortzusammensetzungen mit einem Bindestrich,
  • ist strukturiert,
  • ist der Alltagssprache nah.

Werden diese 13 Punkte beachtet, wird das Verständnis des Textinhalts verbessert und das Kommunikationsziel erreicht. Hier gibt es noch viel Nachholbedarf in Behörden, Schulen, Institutionen und Unternehmen. Nach wie vor verlieren sich viele Autoren in Endlossätzen, Fachbegriffen, Paragrafen und umständlichen Satzkonstruktionen und gehen damit am eigentlichen Zweck Ihres Textes vorbei – zu informieren, zu verkaufen, zu klären.