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Laut Bundesagentur für Arbeit werden derzeit 1,2 Millionen Arbeitskräfte gesucht, davon zwei Drittel Fachkräfte. Dies teilte BA-Chef Detlef Scheele der „Welt am Sonntag“ mit. Viele Unternehmen müssten bereits mangels Fachkräfte Aufträge ablehnen.

Besonders betroffen seien MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), Berufe im Gesundheits- und Pflegebereich sowie das Handwerk. Damit fehlen den Unternehmen auch Fachkräfte. Die Lösung soll die gezielte Einwanderung von Fachkräften aus dem Ausland sein, so Bundesgeschäftsführer Markus Jerger des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft gegenüber den Zeitungen der Funke Medienkräfte. Ist sie das wirklich oder liegt sie vielmehr im eigenen Land?

Mehr Frauen in MINT-Berufe

 Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung versuchen 39,9 % aller deutschen Unternehmen, über Weiterbildungen dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken – ein Ansatz mit Potenzial. Gerade in den MINT-Berufen sind Frauen nach wie vor unterpräsentiert. Im Jahr 2018 waren laut der Bundesagentur für Arbeit gerade mal 15,4 % aller Menschen in IT-Berufen weiblich. Rund 183.000 Menschen haben 2018 eine duale MINT-Ausbildung begonnen. Hier lag der Frauenanteil bei 11,4 %.

Trotz zahlreicher millionenschwerer Programme und Initiativen hat sich das nicht geändert. Das Nerd-Image von MINT-Berufen ist nur einer der Gründe dafür. Das größte Problem seien sich hartnäckig haltende Stereotype in den Köpfen vieler Menschen, so Barbara Schwarze, Professorin für Gender und Diversity Studies an der Hochschule Osnabrück und Vorsitzende des Kompetenzzentrums Technik – Diversity – Chancengleichheit gegenüber dem Spiegel. Vor allem bei Eltern, Beratungskräften und Lehrern seien diese Vorurteile noch verhaftet, u. a. die Vorstellung, dass Technik allgemein schweißtreibend und nichts für Frauen sei.

IT-Berufen wiederum haftet das Image des Nerdigen an, sagt Ursula Köhler, Sprecherin der Frauenfachgruppe in der Gesellschaft für Informatik gegenüber dem Spiegel. Katharina Gryc, Hauptansprechpartnerin für Mentorinnen bei CyberMentor, klagt, dass zu wenig dagegen getan werde.

Dazu kommt, dass sich Mädchen weniger zutrauen, in MINT-Fächern gute Leistungen zu bringen. Trotz gleicher Leistungen schätzen sich Mädchen in der Schule viel schlechter ein als Jungs und zweifeln daran, ein MINT-Studium zu schaffen. Eine verstärkte Förderung von Mädchen und Frauen würde helfen, dem Fachkräftemangel in MINT-Berufen in Deutschland entgegenzuwirken. Über das Qualifizierungschancengesetz haben Unternehmen überdies die Möglichkeit, sich die Weiterbildung Ihrer Mitarbeiter staatlich fördern zu lassen.

 Sprachliche Barrieren hemmen Fachkräfterekrutierung aus dem Ausland

Die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland spielt in deutschen Unternehmen bisher nur eine untergeordnete Rolle. Zwar stieg die Zuwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten in den letzten Jahren zwar stetig an, blieb aber auf niedrigem Niveau. Die Gründe dafür sind vielfältig. Laut Bertelsmann-Studie waren 48 % der befragten Unternehmen der Meinung, dass es genügend inländische Fachkräfte gäbe. 44,7 % meinten, dass sie Schwierigkeiten hätten, die berufliche Qualifikation ausländischer Fachkräfte einzuschätzen. Hauptgrund waren mit 54,3 % die sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten. Hier spielt das Zuwanderrecht eine große Rolle. Neuzuwanderer sind zwar zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet, wenn sie sich nicht auf einfache bzw. ausreichende Art auf Deutsch verständigen können. Es gibt aber auch die Regelung, dass Ausländer nicht an einem Integrationskurs teilnehmen müssen, wenn ihre berufliche Tätigkeit das nicht zulässt (Quelle: BAMF). Kurz gesagt: Wer als Zuwanderer arbeiten geht, lernt nicht Deutsch und bleibt demzufolge in dieser Position haften – trotz Fachausbildung. Verschärft hat diese Situation der Wegfall von Integrationskursen durch die Corona-Pandemie.

Auch hier sind Unternehmen in der Pflicht. Die Bundesregierung hat im Jahr 2012 das sogenannte Anerkennungsgesetz als Instrument zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in Deutschland geschaffen. Auf diese Weise sollten zuwandernde Fachkräfte die Möglichkeit bekommen, ihre beruflichen Qualifikationen bewerten zu lassen. Unternehmen wiederum können so die Qualifizierung für die zu besetzenden Positionen besser einschätzen.

Sprachbarrieren lassen sich mit zertifizierten Sprachkursen neben dem Beruf beseitigen. Zahlreiche Anbieter wie der IBB Institut für berufliche Bildung bieten inzwischen Integrationskurse in Vollzeit an. Binnen 24 Wochen bekommen die Teilnehmer solide Kenntnisse der deutschen Sprache, die sie dazu befähigen, auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu bestehen. Darauf aufbauend gibt es Sprachkurse, die zu erweiterten Sprachkenntnissen im beruflichen Kontext führen.

Ist die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte also die Lösung?

 Ja und Nein. Laut Detlef Scheele, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, werden jährlich 400.000 ausländische Fachkräfte benötigt, um den Fachkräftebedarf in Deutschland zu decken. Dem gegenüber stehen etwa 61.000 Arbeitskräfte aus Drittstaaten, von denen ein Drittel mindestens eine Berufsausbildung hatten. Auch die Zahl der zugewanderten Hochqualifizierten stieg. Diese Differenz muss kompensiert werden, z. B. über die gezielte Weiterbildung von Mitarbeitern, um offene Positionen besetzen zu können. Darüber hinaus sollten die Bemühungen verstärkt werden, Frauen für die MINT-Berufe zu begeistern.